Reichspogromnacht
Die Reichspogromnacht, von den Nationalsozialisten auch als "Reichskristallnacht" bezeichnet, ereignete sich
vom 9. auf den 10. November 1938. Landesweit wurden systematisch jüdischen Synagogen, Friedhöfe und Geschäfte
zerstört, viele Menschen verletzt oder ermordet und 25.000 Juden unmittelbar als Folge der Reichspogromnacht in
Konzentrationslager deportiert.
Ausschluss der jüdischen Bevölkerung
Die Reichspogromnacht war der kritische Wendepunkt in der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung hin zum Holocaust.
Erste Diskriminierungen wie der Boykott jüdischer Geschäfte gab es bereits seit der Machtübernahme Hitlers 1933.
Dennoch blieben viele Juden in Deutschland, entweder weil die finanziellen Möglichkeiten zur Auswanderung fehlten,
oder weil sie ihre Heimat nicht verlassen wollten. Zudem sorgte die schlechte Wirtschaftslage Deutschlands nach dem
Ersten Weltkrieg - vor allem durch nationalsozialistische Propaganda - für die Verstärkung von antisemitische
Tendenzen.
Das Herschel Grynszpan Attentat als Vorwand
in eher nebensächliches Ereignis ging der Reichspogromnacht voraus. Nach dem Anschluss Österreichs befürchtete
die polnische Regierung eine massenhafte Übersiedlung der dort lebenden polnisch-jüdische Bevölkerung. Infolge
entzog sie den Betroffenen die polnische Staatsbürgerschaft. Die NSDAP wiederum wollte die jüdische Bevölkerung
in Österreich abschieben und vertrieb 15.000 Menschen zunächst ins Grenzgebiet.
Der siebzehnjährige Herschel Grynszpan erfuhr in Paris von der Deportation seiner Familie und ermordete am 7.
November den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath. Die Nationalsozialisten stellten das Attentat als Anschlag auf
das Deutsche Reich durch das internationale Judentum dar und kündigten der jüdischen Bevölkerung Konsequenzen an.
Dennoch kann das Attentat nicht als Auslöser für die massenhaften Deportationen angesehen werden, denn die
Vorbereitungen für die Reichspogromnacht und den Holocaust reichen bis ins Jahr 1935 zurück.
Plünderung, Zerstörung und Deportationen
In der Nacht auf den 10. November wurden unter Führung von SA und SS praktisch alle jüdischen Gotteshäuser und
Geschäfte im deutschen Reichsgebiet ausgeraubt. Hunderte Menschen wurden verletzt oder ermordet, circa 25.000 in
Konzentrationslager deportiert. Die Ausschreitungen wurden von der Reichsregierung als spontaner Volkszorn
propagiert, de facto hatte das Regime die Aktion jedoch gezielt vorbereitet und bis ins Detail geplant. Die
Zwangsenteignung der jüdischen Geschäftsleute und Unternehmen sollte beschleunigt werden, weil dringend Kapital
für den geplanten Krieg gegen Frankreich benötigt wurde. Zu diesem Zeitpunkt lag das Haushaltsdefizit des Deutschen
Reichs bei ungefähr zwei Milliarden Reichsmark.
Bereits 1935 wurde die jüdische Bevölkerung in einer "Judenkartei" erfasst und im April 1938 zur Offenlegung ihres
Vermögens, schätzungsweise 8-9 Milliarden Reichsmark, gezwungen. Die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und
Sachsenhausen waren zu diesem Zeitpunkt schon in Planung bzw. fertiggestellt. Weil die europäischen Nachbarländer
keine Flüchtlinge aufnehmen wollten, emigrierten viele Juden in die USA oder nach Südamerika, sofern sie das
Deutsche Reich noch verlassen konnten.