Nürnberger Prozesse
Das Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahre 1945 läutete einen juristischen Marathon ein: Die Verbrechen des
Deutschen Reichs mussten rechtlich aufgearbeitet werden. Den Beginn markierten die im November 1945 angelaufenen
Nürnberger Prozesse, die sich zunächst den Hauptkriegsverantwortlichen, sowie im späteren Verlauf Ärzten, Juristen
und Industriellen widmeten.
Ursachen und rechtliche Grundlagen
Bereits in den letzten Kriegsjahren hatten sich die alliierten Mächte um die Vereinigten Staaten, England sowie
Russland darum bemüht, eine gerichtliche Bewertung jener Taten vornehmen zu lassen, die die deutsche politische
und militärische Führung zu verantworten hatte. Auf der Basis des im August 1945 geschaffenen Londoner Statuts
wurde dafür ein Internationaler Militärgerichtshof gegründet. Er hatte seinen Sitz in Nürnberg. Alle vier
Siegermächte, zu denen neben den zuvor genannten auch Frankreich gehörte, konnten die Prozessführung, die
Anklageerhebung und die Findung eines Urteils mit ihrer gleichberechtigten Stimme beeinflussen.
Der Prozess gegen die NS-Führung
Den Auftakt der juristischen Betrachtung der Kriegsjahre bildete das Verfahren gegen insgesamt 24 vermeintliche
Hauptkriegsverbrecher, die sich aus der militärischen, politischen und wirtschaftlichen Elite des
nationalsozialistischen Deutschlands zusammensetzten. Unter ihnen befanden sich etwa Reichsmarschall Hermann
Göring, Parteisekretär Rudolf Hess und Außenminister Joachim von Ribbentrop. Konkret zur Last gelegt wurde
den Angeklagten die Planung und Führung eines Angriffskrieges. Zudem wurde der Vorwurf auf die Verbrechen gegen
den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgedehnt. 20 führende Personen des
NS-Regimes wurden zu langjährigen Haftstrafen oder dem Tode verurteilt.
Die weiteren Nürnberger Prozesse
Nach der Beendigung des ersten Verfahrens gegen die Hauptschuldigen des Krieges, das im September 1945 zu
einem Urteil geführt hatte, konnten weitere Führungsämter des Deutschen Reichs angeklagt werden. Hierunter
befand sich etwa Ärzte, Generäle, Juristen sowie leitende Wirtschaftsbetriebe wie die I.G. Farben oder der
Krupp-Konzern. Die insgesamt 12 Prozesse dauerten bis 1949 an und endeten mit einer Verurteilung von 150 der
185 Angeklagten. Die bereits im ersten Verfahren gesetzten Maßstäbe und Vorwürfe konnten für die
nachfolgenden Verhandlungen übernommen werden, sodass sich in der juristischen Bewertung aller Führungspersonen,
Institutionen und Organe keine Abweichung ergab.
Nachwirkungen der Nürnberger Prozesse
Die Gesamtheit der juristischen Fragen war jedoch mit den Nürnberger Prozessen nicht gänzlich beendet.
Vielmehr konnte auf der geschaffenen Basis der vier Anklagepunkte das Recht auch gegen kleinere Angehörige
des Militärs, der Partei oder der Konzerne ausgeübt werden. Hierbei waren es die Vereinigten Staaten,
Russland, England sowie Frankreich selbst, die eigene Spruchkörper in ihren Besatzungszonen einrichteten
und die in Nürnberg manifestierten Grundsätze in einer Vielzahl weiterer Verfahren anwendeten. Darüber hinaus
bildete Nürnberg den Beginn der internationalen Strafgerichtsbarkeit, die sich bis heute in der Einrichtung
des Internationalen Strafgerichtshofs fortgebildet hat.